hangingtender

Foto(s): Frederik Röh/ Henrik Matzen
Text: Iris Büchler

Bei den Franzosen fließt dieses Genießerstück als Onglet über die Zunge, in den USA nennt es sich ganz cool Hanging Tender. Dagegen klingt die deutsche Bezeichnung Nierenzapfen weniger verführerisch, sondern sorgt eher für Verwirrung. Dieser Premiumcut vom Rind oder Kalb hat gar nichts mit den Nieren zu tun, sondern ist ein wunderbares Steak, das es in puncto Zartheit locker mit dem Filet aufnehmen kann.

Hanging Tender (auf Deutsch etwa „das hängende Zarte“) ist wahrlich einmalig, denn dieses ganz besondere Stück Fleisch gibt es nur ein Mal pro Rind. Es liegt in der Brusthöhle des Tieres mittig im Lendenteil des Zwerchfells und ist dessen x-förmiger Stützmuskel. Dieser ist zweiteilig, wiegt rund 800 Gramm und hat eine Mittelsehne. Obwohl es sich um reines Muskelfleisch handelt, zählt Hanging Tender rein technisch gesehen zu den Innereien, da es nicht zur Skelettmuskulatur des Rindes gehört. Die Fasern sind sehr kurz und verlaufen nicht längs, sondern quer zur Mittelsehne. Außerdem ist das Fleisch stark marmoriert. Diese feinen Fetteinlagerungen bescheren ihm einen würzig-intensiven, saftigen Eigengeschmack. Die unvergleichliche Textur sorgt für ein besonderes, unerwartetes Mundgefühl. Deshalb benötigt Hanging Tender zur finalen Abrundung nichts weiter als gutes Salz und eventuell ein wenig
frisch gemahlenen Pfeffer.

Unfassbar zart und sehr aromatisch
Zugegeben, der Nierenzapfen ist etwas speziell – und gerade deshalb so interessant. Wer sich darauf einlässt, wird garantiert belohnt.

Dieses Liebhaberstück ist nämlich nicht nur besonders zart, sondern weist auch ein ganz eigenes Aroma auf: Der Rindergeschmack kommt wesentlich kräftiger durch als zum Beispiel beim Filet. Außerdem verwöhnt der Nierenzapfen Fleischliebhaber mit einer feinen, unaufdringlichen Lebernote. Insgesamt lässt sich sein Geschmack recht gut mit leicht eisenhaltig oder mineralisch beschreiben. Hier trifft Rind pur auf einen Hauch von Innereien – High-End-Fleischgenuss!

Experimentierfreudige
Fleischliebhaber sollten Hanging Tender unbedingt vorbestellen – direkt an der Markant-Fleischtheke. Die Fleischer*innen liefern es dem Kunden sauber pariert als mageren Zuschnitt. Dafür halbieren die Fachleute das Hanging Tender entlang der langen Seite, entfernen die Mittelsehne, Fettreste sowie das Bindegewebe und zerteilen es auf Wunsch auch bereits in einzelne Scheiben.

Ideal für Pfanne und Grill
In den USA gehört Hanging Tender zu jeder guten Steakhouse-Speisekarte, während es sich in Deutschland erst langsam seinen verdienten Platz in der Kulinarik erobert, vor allem in der Grillszene. Doch nicht nur gegrillt ist dieses spannende Fleisch perfekt, sondern die Zubereitungsmöglichkeiten sind überaus vielfältig. Man kann es schmoren oder kurzbraten, und zum Sous-vide-Garen eignet es sich ebenfalls hervorragend. Auf ins kulinarische Abenteuer!

Tipps

Richtig einordnen
Für Hanging Tender gelten die gleichen klassischen Steak-Zubereitungstipps wie zum Beispiel für Rib-Eye oder Rumpsteak. Es schmeckt am besten medium gegart, da es sonst leicht zäh werden kann.

Richtig grillen
Das Fleisch erst von beiden Seiten zwei Minuten scharf anrösten und anschließend grillen, bis die Kerntemperatur 55 Grad (Fleischthermometer) erreicht hat.

Richtig schneiden
Nach dem Garen sollte man das Fleisch etwa im 45-Grad-Winkel quer zur Faser aufschneiden. So lässt sich die Struktur des Muskels brechen und das Kaugefühl optimieren.